Reisende und Kulturen – Wie die Musik verbindet

Was wäre eine Reise ohne Begegnungen? Und was wäre ein Leben ohne Musik? Die meisten Reisenden legen es darauf an neue Länder, Kulturen und Menschen kennenzulernen. Auch wenn es unter den aktuellen Bedingungen definitiv schwieriger geworden ist.

Auch wenn ich selbst viel alleine durch die Wälder und über die Wege wandere, kommt es doch immer wieder zu wundervollen Begegnungen, zu inspirierenden Gesprächen und kulturellem Austausch, den ich so sehr schätze. Zwischendurch ziehe ich es auch immer mal gerne vor in einem Hostel unterzukommen. Denn keine andere Unterkunftsmöglichkeit bietet so viele Kontaktmöglichkeiten.

 

Sprachlicher Hürdenlauf

 

Die Wege und Mittel sich zu verständigen sind so vielfältig, sprachliche Hürden gehören dazu. In wie weit sie genommen werden können, hängt natürlich auch von unserem zwischenmenschlichen Verhalten ab.

An einem sonnigen Abend auf einer Dachterrasse auf La Palma saß ich sprachlich mal wieder vollkommen in der Klemme. Der Wind hatte die Tür zufallen lassen und ich blieb ausgesperrt draußen sitzen. Durch die Glasscheibe der Terrassentür sah ich den fünfjährigen Sohn des Besitzers meiner Unterkunft flitzen. Ich klopfte an die Scheibe und der Junge sah mich an. Ich versuchte mit Gesten klar zu machen, dass er mir die Tür öffnen sollte.

Er antwortete mir auf spanisch und versuchte den Schlüssel von innen zu drehen. Leider gelang es ihm nicht. Und meine englischen Anweisungen halfen mal wieder gar nichts. Ich hatte sogar mehr Sorge, dass der Schlüssel gleich abbrechen würde.

 

 

Der kleine Junge reagierte super, er stieg auf meine „Gebärdensprache“ ein und sprach sehr langsam mit mir. Mit dem typischen „Time-out“ Zeichen machte er mir deutlich, mich zu gedulden. Er rannte davon. Erst war ich unsicher, was sein Plan betrifft. Doch er lief durch das leere Haus um Hilfe zu suchen. Immer wieder kam er zurück, um mich mit netten Gesten zu beruhigen. „No miedo“, oder etwas in der Art, rief er mir zu. Was soviel bedeutet wie: Hab keine Angst. „Was ein kleiner Held“, dachte ich mir.

Am Ende schaffte es der kleine Kerl einen Nachbarn aufzutreiben, der den schwergängigen Schlüssel drehte und mich befreite. Der kleine Diego starte glücklich auf mich und meine Ukulele in der Hand. Ich war ihm so dankbar für seinen Einsatz und überraschte ihn am nächsten Tag mit einem spanischen Kinderlied auf der Ukulele, was ich ihm auch zu Spielen versuchte beizubringen. Im Gegenzug half er mir mit selbstgemalten Bildern den Inhalt des Liedes zu verstehen.

Musik ist einer meiner Wege sprachliche Hürden zu erklimmen.

 

Kunst, Musik und Kulturen

 

Mit bedauern müssen wir alle gerade feststellen, was ein Einschnitt in diese wichtigen Bereichen des Lebens für viele von uns bedeutet und zugleich beobachten welch´ geringen Stellenwert sie in Entscheidungsprozessen erhalten. Neben dem sozialen Bindeglied, der emotionalen Ausdrucksmöglichkeit ist es die unfassbar schwierigen Situation für die schaffenden Künstler, die aktuell immer noch um ihre Existenz fürchten müssen.

Auf La Gomera und La Palma hatte ich gleich mehrfach das Vergnügen tolle Kontakte mit und über die Musik zu knüpfen, neue Instrumente auszuprobieren und den Eigenkreationen der Künstler/Innen zu lauschen. Ich fühlte mich ein bisschen daran erinnert, wie ich mit den schottischen Dudelsackspielern versuchte akzeptable Straßenmusik zu machen. Gitarre und Dudelsack…nun ja… lustig war es auf alle Fälle.

Als ich so am Strand mit meiner Ukulele saß, gebeugt über ein Stück Papier, mit dem Versuch Worte zu meiner Melodie zu finden, stieß eine Gruppe mit diversen Trommeln, einer Flöte und Gitarre zu mir.

„You wanna join?“

„Me?“, ja ich war sichtlich überrascht.

Ein paar Minuten später saßen wir im großen Kreis am Strand, wir fügten mich mit meiner Ukulele und den passenden Akkorden in das Gesamtwerk ein. Dazu hatte ich die Herausforderung einfach ein bisschen Melodie zu improvisieren mit den wenigen spanischen Wörtern, die ich kannte. Außerdem durfte ich zum ersten Mal die „Handpan“ spielen. Ein zauberhaftes Instrument.

 

Da ich zuvor beim Thema „spontaner Improvisation“ immer wieder in Panik verfiel, waren diese Begegnungen unsagbar wertvoll für mich. Zuvor nahm ich an, dass das spontane Singen und Spielen nur ein Folterwerkzeug meines Gesangslehrers war. Allerdings zeigte sich mal wieder, dass aus den spontanen Gedanken und Ideen einer Gruppe unfassbar tolle Ergebnisse entstehen können.

Auch auf La Palma traf ich mehrere gute Gitarristinnen und Gitarristen, die in einem unfassbaren Tempo meine einfachen Akkorde mit der Ukulele mit tollen Solos begleiten konnten. Auch hier wurde aus der simplen Aufforderung „just sing“ zunehmend eine wahre Freude, die ich dann auch selbst weitertragen konnte.

Die Sprache verstand ich nur teilweise, trotzdem konnte ich mit Hilfe der Musik die Menschen und ihre Geschichten verstehen. So sang uns ein nach Europa geflüchteter Syrer auf arabisch über das was er auf seiner Flucht erlebt hatte, über seine Ankunft und das Gefühl der verlorenen Heimat und der wenigen Akzeptanz in seinem neuen Zuhause. Und wir lauschten den Wörtern, die so viel Bedeutung hatten, obwohl wir sie nicht direkt verstehen konnten.

Ein junger Mann aus dem Kongo, der mit unglaublich viel positiver Energie über seine Lebensentscheidung sang und gleichzeitig die unfassbare Ungerechtigkeit der Welt zwischen westlichem Konsum und der Ausbeutung der Erde und der Menschen in Entwicklungsländern aufzeigte.

Die unfassbar talentierte Estin, die kurz vor ihrem Eheschluss aus der arrangierten Situation geflüchtet war, um ein freieres Leben zu führen.

Aus und mit der Musik konnten wir voneinander lernen, Erfahrungen austauschen und sicherlich unseren eigenen Weg überdenken. Diese Momente sind mir auf einer Reise viel wichtiger als ein gutes, bequemes Bett. Ich ziehe es sogar vor die Nacht am Strand zu verbringen und dem Feuer zuzusehen während gemeinsam gesungen wird.

Vielleicht sollte man einfach öfter den Mut aufbringen, auf Menschen zuzugehen und zu fragen: „Can you teach me that?“ , „Can I join?“

Und zwar ganz egal, wo man ist.

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