Auf und nieder immer wieder – Korsika zu Fuß

Wieder einmal stand für mich ein Fernwanderweg auf dem Programm, aus meiner Schublade an Ideen zog ich dann Korsika hervor. Auch so eine Insel, die ich mir eigentlich für „irgendwann mal“ aufgehoben hätte, da es ja relativ gut zu erreichen ist. Ich hatte bereits viel über den GR-20 im Vorfeld gelesen, Dokumentationen gesehen, Karten studiert.

Die Grobplanung und die gewisse Erkenntnis

Auf den Trichter, dass es auf Korsika auch noch andere schöne, markierte Fernwege gibt, bin ich erst vor einigen Wochen gekommen. Also las ich mich geschwind mal ein und bereitete verschiedene Routen vor.

Warum gleich mehrere? Na, weil ich mal wieder spontan entscheiden wollte. Grob gesteckt war aber das Ziel, den Mare e Monti Nord zu nehmen, dann auf den Mare a Mare Nord zu wechseln. Anschließend wäre es dann möglich über den GR-20 zum Mare a Mare Central zu gelangen und den Mare e Monti Süd und Mare a Mare Süd anzuschließen. So zumindest der Idealfall. 359 Kilometer mit über 16.000hm hatte ich mir für etwas mehr als 4 Wochen vorgenommen. Wenn du mehr über die Etappenplanung der einzelnen Fernwege auf Korsika lesen möchtest, findest du eine ausführliche Auflistung in meinem Planungsartikel.

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Korsika Querung - Individuelle Fernwegkombination
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Kurz vor Abreise habe ich meinen Flug noch einmal umbuchen müssen und auf 3 Wochen Aufenthalt reduziert, da in der Heimat einige Termine anstanden. Also ließ ich es einfach mal auf mich zukommen, wie weit ich es schaffe würde. Ich hatte sowieso nichts fest gebucht und war dementsprechend frei. Nur die erste Unterkunft in der Nähe des Flughafens hatte ich bereits organisiert.

Verwöhnt von den bisherigen Orten an denen ich war, stieß ich bereits bei der Vorbereitung der Touren auf Korsika auf einige Schwierigkeiten. Das ich sprachlich mit Englisch nicht sonderlich weit kommen würde, war mir bewusst und meine Französischkenntnisse haben doch in den letzten 15 Jahren stark abgebaut. Mir fiel allerdings auch recht schnell das spärlich ausgebaute Nahverkehrnetz auf.

Keine Busapp? Keine Website? Nein, nicht mal ein konstantes Busunternehmen. Oh je…. also recherchierte ich mir schonmal die Finger wund, um festzustellen, dass Busse, naja, wenn es gut läuft einmal am Tag fahren und auch nicht unbedingt dort hin, wo ich hin wollte und auch erst ab dem 1. Juli. Herzlichen Glückwunsch!

Aber ich wollte ja eh zu Fuß laufen, daher schien es erstmal ok. Somit überlegte ich mir zuvor, welche „Ausstiegsmöglichkeiten“ sich anbieten würden, um zum Flughafen zurückzukehren. Andernfalls müsste ich irgendwie per Anhalter durchkommen.

Eine kleine Übersicht der Busfahrpläne erhaltet ihr hier, danke an die freiwillige Arbeit eines anderen Reisenden. Zugfahrpläne gibt es auf dieser Seite.

Calvi

Bonjour Corse!

Mein Flieger landete am frühen Abend auf Korsika und für eine Weiterreise Richtung Calvi war es schon zu spät.

Der Flughafen war einfach nur voll! Sowas hatte ich lange nicht erlebt und mir war das Ganze ziemlich unheimlich. Parallel mit dem Flieger aus Frankfurt kam ein voller Flieger aus Paris an, mit dem wir auch das einzige Gepäckband teilten. Ein echtes Gedränge entstand und ich entschied, einfach mal draussen zu warten und meinen Rucksack am Ende abzuholen. Es schien, als wäre für viele Leute alles vergessen oder nie geschehen…wie gesagt….unheimlich.

Mit dem Rucksack ging es dann entlang der Hauptstraße zu meinem Hotel. 5 Kilometer über heißen Asphalt. zu diesem Zeitpunkt auch noch mit Handgepäckrucksack und großem Rucksack. So lief ich also mit Rucksack auf dem Rücken und am Bauch einfach mal los. Im Hotelgarten nahm ich mir die Zeit meinen Rucksack neu zu packen und gleichzeitig die „Show me your Gear Challenge“ abzudrehen.

Meine Anreise zum Startpunkt in Calenzana dauerte dann insgesamt 4 Tage, wahnsinn! Ich hatte mit 2 Tagen gerechnet. Naja auf alle Fälle nicht ganz so einfach. Mit einem Taxi schafft man es natürlich in 40 Minuten, aber das kostet ca. 200 Euro und irgendwie fehlt da ja dann auch das Abenteuer. Übrigens muss man hier an kleinen Bahnhöfen auch den Lokführern zuwinken, sonst fahren diese durch. Man lernt ja immer dazu.

Auf geht´s

Ich versuchte zunächst die Unterkunft in Calenzana anzurufen und zum Glück sprach man hier Englisch. So organisierte ich mir ein Bett in der Wanderhütte und teilte diese mit einer älteren Französin, die sich auf den GR-20 begab. In Calenzana war es wirklich voll. Mit mir waren an die 35 Hiker unterwegs, davon wollten aber 32 den Gr-20 laufen und nur zwei weitere Herren wollten auf den gleichen Weg wie ich, den Mare e Monti Nord, starten. Zum Glück sprachen die Beiden Englisch und so hatte ich zumindest schonmal kommunikativen Anschluss für die ersten Tage gefunden und konnte der „Französisch-Problematik“ noch ein paar Tage aus dem Weg gehen.

Total spannend waren die vielen Frauen und Männer und ihre unterschiedliche Vorbereitung auf den GR-20. Manche waren sehr gut vorbereitet und hatten sich gut informiert, Steigeisen und Pickel dabei, denn oben über 2000hm lag ja immer noch Schnee. Andere hingegen waren schwer bepackt und es schien mir etwas, als wäre ihnen der Anspruch des Weges nicht ganz klar. Ich lauschte also den Diskussionen, so weit es mir möglich war, und genoss ein kaltes Bier mit meinen neuen Bekanntschaften. Die beiden spielten dann auch mal gerade den Dolmetscher und ich konnte quasi alles mit „Untertitel“ verfolgen.

Am nächsten Morgen startete ich um 5 Uhr meine Tour. Meine Zimmernachbarin war schon lange aufgebrochen (ich glaube so gegen halb 4 in der Nacht). Der erste Anstieg führte gemeinsam mit dem GR-20 in die Berge und schon die ersten Stunden waren ziemlich anstrengend. Zum Glück war es noch so früh, die Sonne kam langsam hinter den Bergen hervor und erhitzte dann recht zügig die Luft. Ich war einfach nur heilfroh, dass nach einigen Kilometern und 800 Höhenmeitern mein Weg nach rechts abführte und erst einmal geradeaus verlief. Den anderen GR-20 Wanderern wünschte ich eine spannende Zeit und viel Glück, vor Ihnen lagen noch am gleichen Tag weitere 1000hm im schattenlosen Gelände.

Die erste Etappe fiel mir unglaublich schwer, ich war sehr langsam unterwegs und kam selbst beim bergab gehen nicht richtig in Gang. Ich glaube ich habe zu viele Pausen gemacht. Hier mal sitzen und genießen, da mal die Füße in den Fluss halten… schön war das, aber das Laufgefühl blieb schwierig.

Gegen Mittag erreichte ich jedoch mein Zeltlagerplatz in einem wundervollen Wald mit Nähe zum Fluss. Am Abend aß ich mit den beiden Franzosen Lasagne und wir hatten eine wirklich lustige Zeit. Die Vorfreude auf die nächsten Etappen hielt sich an diesem Tag in Grenzen, mit Blick auf die anstehenden Steigungen und die Ankündigung von Temperaturen über 38 Grad wurde mir etwas mulmig und ich zweifelte daran, dass ich aktuell oder überhaupt in ausreichender Form bin.

Hochs und Tiefs in der Laufmotivation

Am nächsten Tag startete ich bereits um 4.30 Uhr, aus purer Angst zu verbrennen oder zu verdursten. Tatsächlich lief es relativ gut, zumindest bergauf. Es ging die ersten Kilometer sehr steil hoch und ich war etwas überrascht, dass ich dieses Mal so gut voran kam. Vor 10 Uhr erreichte ich den Gipfel und war sehr stolz den Anstieg ohne große Pausen geschafft zu haben. „Jetzt geht es nur noch runter“, dachte ich mir. „Das kann ja nicht so schwer sein“.

War es aber. Der Weg zog sich sehr und ich kam auf dem lockeren Geröll nur langsam voran. Ich hatte schon gedacht meine Kilometeranzeige der Uhr wäre defekt, aber leider war es nicht so. Meine Motivation sank in den Keller und ich war so erschöpft, dass ich nicht mal mehr den Ausblick genießen konnte. Es ging nur noch darum anzukommen. Der Schreck bei der Ankunft, als ich erfahren hatte, dass der einzige Versorgungspunkt geschlossen war, war groß. Ich schlug mein Zelt auf dem Campingplatz auf und genoss erst einmal ein kühles Bad im Fluss. Dabei blieb es dann auch, denn die beiden Duschen auf dem Campingplatz versprühten einen unfassbar unhygienischen Charme und das Wasser kam dort nur tröpfchenweise aus der Decke.

Während ich so auf dem steinigen Boden des Flusses saß, hüpften auch immer mal wieder andere Campinggäste in das Wasser und es ergaben sich tolle Gespräche. Ich hatte sogar großes Glück, dass ich gleich mehrfach von lieben Camper/innen mit Van zum Essen eingeladen wurde. So blieb mir der Hunger tatsächlich erspart und ich tauschte Essen gegen eine nette Abendunterhaltung inklusive Ukulelekonzert. Sogar mein Wasser durfte ich bei ein paar netten Bullicampern auffüllen, denn das Trinkwasser des Campingplatzes war trocken gelegt. Ich nutzte die Gelegenheit und konnte mal wieder in verschiedene selbstausgebaute Camper klettern und auch das ein oder andere Dachzelt begutachten. Ein Wissen, dass ich vielleicht irgendwann nochmal brauchen könnte.

Über den nächsten Tag, machte ich mir an diesem Abend weniger Gedanken, die Tour schien relativ eben und nicht sonderlich anspruchsvoll. Also konnte ich vollkommen entspannen und schlief wie ein Stein in meinem Zelt, bis der Wecker und die Vögel mich zum Sonnenaufgang weckten.

Irgendwie wirkte aber die Hitze auch am nächsten Tag wieder sehr auf meine Leistung und ich zog es vor lange am Fangu Fluss zu rasten, zu baden und meine restlichen Kekse zu essen. Dabei war ich die Hitze durch die Kanaren ja nun echt schon gewöhnt, aber trotzdem war es nochmal anders. Bei Ankunft in Galéria entschied ich mich erstmal Pause zu machen und die nächsten beiden Tage über 40 Grad nicht weiter zu gehen. Die Entscheidung war eindeutig richtig so.

frühe Auszeit

Galéria liegt wunderbar am Meer, der kleine Hafen lud zu Bootstouren ein, man konnte Paddeln oder am Strand liegen, zudem gab es Kanu-Touren im Fangu Delta für nur 6 Euro. Das Fangu Delta ist ein UNESCO Biosphärenreservat, in dem man viele Vogelarten und die europäische Sumpfschildkröte entdecken kann. Das ruhige Gewässer lud zum Entspannen und Beobachten ein. Dabei wurde streng auf die Anzahl der Kanus im Wasser geachtet und ein gewisser Abstand zwischen den paddelnden Gästen gewahrt. Eine kleine Einweisung in die Landschaft, das Ökosystem und das Kanu gab es dann auch noch und ich hatte das Gefühl, dass man den Schutz der Umwelt hier tatsächlich ernst nimmt. Der kleine Zwischenausflug tat mir unglaublich gut und den Rest des Tages erholte ich mich am Meer. Von meinen französischen Wegbegleitern verabschiedete ich mich an diesem Tag, denn sie mussten aufgrund von eingeschränkter Zeit weiter laufen.

Meinen Abend widmete ich dem Fußball. Es war mal wieder richtig schön in einer Bar zu sitzen, mit Menschen zu plaudern und gemeinsam der erfolgreichen Sieg gegen Portugal zu feiern. Komisch, dass ich an diesem Abend auch besonders viele zufriedene deutsche Touristen traf.

Europäische Sumpfschildkröte

Ein umgeknickter Fuß und eine Seemannsrettung

Korsika bietet einfach eine unfassbare landschaftliche Vielfalt. Auch das durfte ich bei meiner nächsten Tour wahrhaftig erleben. Entlang eines Baches führte der Weg zunächst mäßig bergan, immer wieder musste man den Bach von Stein zu Stein springend queren oder mit Hilfe von Seilen durchschreiten. Anschließend führten steile Serpentinen auf lockerem Geröll und großen Felsen den Berg hinauf. Während des Aufstieges konnte man immer wieder zurück auf Galéria und die kleine Bucht an der Küste werfen, während sich im Hintergrund die mächtigen Berge des Landesinneren auftürmten. An diesem Tag war es drückend schwül, etwas bewölkt, aber so richtig kam es nicht zum Regen. Der Wind hingegen verschaffte zeitweise eine kleine Erfrischung. Also, wenn man sich vor einen Föhn Stellen als Abkühlung bezeichnen kann.

Dieser Abschnitt war einer der Schönsten, die ich bisher laufen durfte, gleichzeitig aber auch wieder sehr herausfordernd.

Auf dieser Etappe war ich relativ isoliert, Straßen gab es hier nicht, auch nicht am Zielort Girolata. Man kann das Örtchen nur zu Fuß erreichen oder ein Boot nehmen. Touristen kommen meist am Nachmittag für eine halbe Stunde mit dem Ausflugsboot vorbei und sind dann auch schon wieder weg. Nur Wanderer übernachteten auf dem dort vorhandenen Campingareal.

Gefühlt ging es nun endlich besser mit dem Laufen und mit der Motivation auch. Wieder traf ich einige Gleichgesinnte und wir genoßen den Blick auf die Bucht mit den wild umherstreifenden Kühen. Als ich dann aber barfuß zum Zelt rannte, um nur noch mal „schnell“ meinen Kocher zu holen, knickte ich in einem nicht sichtbaren Erdloch auf der Wiese so um, dass ich erstmal zu Boden ging.

Mit dem Versuch aufzustehen scheiterte ich zunächst. Mein Fuß tat höllisch weh und schwoll auch relativ schnell dick an. Ich kroch in Richtung Zelt und legte mich erstmal für eine lange Zeit ab. Ich schimpfte mit mir selbst, wieder mal war es eine Unachtsamkeit, die so unnötig war.

Zum Glück kam hin und wieder jemand vorbei, so konnte ich mein Wasser auffüllen lassen, denn selbst aufstehen, war zu diesem Zeitpunkt nicht drin.

Diese Reise schien irgendwie verhext, bisher lief halt einfach eine Menge schief. Ich ärgerte mich so sehr über dieses Missgeschick, „wieso jetzt? wieso hier?“. Schon wieder musste ich die Tour unterbrechen. Als ich halbwegs wieder laufen konnte, schleppte ich mich zu der kleinen Bootsanlegestelle und fragte diverse Menschen nach einem Boot. Mir war bewusst, dass ich die nächsten 3 Tagestouren bis in ein halbwegs größeren Ort nicht schaffen würde, auch konnte ich von hier aus nicht per Anhalter fahren. Also gab es nur die Lösung per Boot zu trampen.

Tatsächlich hatte ich das Glück, dass ein Schiff am nächsten Morgen Baumaterialien in einen anderen Hafen bringen würde. Mir wurde gesagt, der Kapitän könne mich sicherlich auf seinem Boot mitnehmen.

Also humpelte ich am nächsten Morgen zu dem gezeigten Anleger, von dem mir die Menschen erzählten und wartete auf einen Kapitän.

Tatsächlich tauchte ein älterer Mann auf und musterte mich. Mit gebrochenen französisch versuchte ich zu erklären, was ich wollte. Stumm nickte der Mann und winkte mich auf sein Boot. Er musste mir allerdings helfen, denn der Schritt auf das schwankende Schiff und mit großem Rucksack war gar nicht mal so einfach.

Da saß ich nun bei unruhiger See, zwischen Metallteilen, Ölkanistern und rutschenden Kisten auf dem schwankenden Boot. Mein Rucksack rutschte hin und her und das Wasser spritzte bis an Bord. Flau im Magen saß ich stumm da und starrte auf die schroffe Küstenlinie. Ein Situation, in der man auf die Hilfe anderer Menschen und ein gewisses Vertrauen in das Gute angewiesen ist.

Sich verletzt auf ein Boot mit vollkommen fremden Männern zu begeben, die ihr Hauptsitz in einer „Piratenbucht“ hatten war so eine Sache. Zudem nicht genau zu wissen, wo sie denn hinfahren wollten, war schon ein besonderes Abenteuer.

Ich gab dem netten Kapitän und seinem Bootsmann, nachdem sie mich sicher im Hafen von Porto abgeladen hatten, natürlich einen Mitfahrer-Obolus und bedankte mich für die Hilfe. Zum Glück ist also alles gut gegangen.

Anschließend suchte ich mir eine bezahlbare Unterkunft, in der ich erstmal für zwei weitere Nächte meinen Fuß hochlegen konnte.

Manchmal läuft es halt so gar nicht nach Plan, aber so ist das halt. Da ich nun schon einige Lauftage verloren hatte, überlegte ich mir, wie ich die Tour weiter antreten könnte und ob überhaupt. Da mich der weitere Weg in einigen Tagen in alpine Regionen bringen sollte, musste ich mir die Zeit nehmen genau zu überlegen und zu testen, in wie weit mein Fuß überhaupt sicher belastbar ist. In Porto hatte ich nun zum Glück eine Apotheke, einen Supermarkt und zur Not genügend helfende Hände.

Weiter geht es

Nach der Erholung lief ich von Porto aus zurück auf den Mare e Monti Nord Richtung Ota. Ich nutzte die kurze Etappe als Belastungsprobe auf einem einfachen Weg. Mein Knöchel war immer noch geschwollen, doch ging das Gehen auf ebenen Wegen ganz okay. Also wagte ich mich auch am nächsten Tag auf die weitere Etappe, bei der es wieder regulär steil und steinig zuging. So konnte ich die geplante Strecke auf dem Mare e Monti bis Evisa regulär beenden, natürlich in einer ganz anderen Zeit als erwartet, aber darum ging es dann gar nicht mehr.

Ab Evisa stand nun die Entscheidung an, auf den Mare a Mare Nord zu wechseln und somit wieder alpiner zu laufen. Da mir die Wegbeschaffenheit, das wackelige Netz und die geringe Dichte an anderen Wanderen bewusst war, legte ich in meinem Kopf einen Notfallplan fest. Sollte mein Fuß und ich nicht weiter gehen können, müsste ich in der Lage sein einige Tage in der Wildnis zu bleiben.

Mir war auch klar, dass ich in Corte meine Wanderung abschließen werde, da ich dort einen idealen Bahnanschluss zurück nach Bastia und den Flughafen haben würde. Zudem musste ich ja auch einige Tage zuvor nach Bastia reisen, um noch einen PCR – Test durchzuführen.

Ich entschied mich die Ortschaften hinter mir zu lassen und den Weg anzutreten.

Der Mare a Mare Nord – Variante Nord

Der Mare a Mare startete für mich in Evisa und führte hoch auf den Pass Col de Vergio auf 1500m. Wieder lief ich vor fünf Uhr morgens los und der erste Abschnitt führte durch die dichten Wälder nördlich von Evisa. Ich begegnete vielen wilden Hausschweinen und auch Wildschweinen. Die Schweinebanden haben mich ziemlich oft erschreckt, da sie immer so plötzlich im hohen Farn auftauchten. Also begann ich einfach damit, sobald das Gestrüpp dichter wurde und mir die Sicht einschränkte, ein kleines „Schweinewarnlied“ zu singen.

Das die üblichen Hoftiere auf Korsika komplett frei herumlaufen und nur selten von Zäunen oder Toren beschränkt werden ist ganz normal und hat auch mit dem Freiheitsgedanken der Korsen zu tun. So konnte auch mal Kuh, Ziege, Esel oder Pferd neben einem im Wald auftauchen.

Der restliche Weg des Tages führte steil über Felsen hinauf, manchmal wunderte ich mich, ob ich überhaupt noch auf einem Weg bin, aber scheinbar lief ich richtig. Immer wieder kam ich allerdings in das gleiche Dilemma, dass mein Wasser nicht ausreichte. 4 Liter waren mir wiederum zu wenig, allerdings konnte ich auch nicht noch mehr transportieren. Einige Quellen, die ich fand, nutzte ich zwar zum Nachfüllen, andere waren aber trocken oder so hygienisch bedenklich, dass ich darauf verzichtete. Das langsamere Laufen zu dem ich gezwungen war, sorgte natürlich dafür, dass ich länger unterwegs war und eben noch mehr Wasser benötigte.

In der Nähe des Passes gab es ein Hotel mit Herberge, aber auch Campingareal. Umgeben von den höchsten Bergen der Insel und in Gemeinschaft mit vielen Wanderern fand ich hier ein schattiges Plätzchen für mein Zelt, um den Abend ausklingen zu lassen.

Ich hatte nun aber endlich mal das Gefühl in eine Routine gekommen zu sein, mein Fuß hatte die Hürde des steinigen Anstieges gemeistert und ich konnte mit weiterer Vorsicht darauf setzen, auch die kommenden Tage durchzuhalten. Alles in einem sehr gemäßigten Tempo. Aber ich freute mich sehr auf die folgenden Etappen, auch wenn sie mir wieder alles abverlangten.

Die nächsten beiden Tage standen im Zeichen des großen Sees „Lac de Calacuccia“. Zunächst stieg ich vom Pass ab Richtung Albertacce. Zahlreiche wundervolle Pfade neben klaren Flüssen mit spektakulären Felsformationen begleiteten mich hinab zum See. Anschließend ging es bis nach Castellacce. Auf dem sehr sonnigen Abschnitten des Weges musste ich mir die schattigen Rastplätze in der Regel mit Ziegen teilen. Die Meute war aber sehr entspannt und ich konnte mich zwischen ihnen niederlassen. Um die letzten Schlucke in meiner Wasserflasche sinnvoll einzuteilen, verzichtete ich vermehrt auf das Trinken, ich entschloss mich einfach für eine „Kameltaktik“. Ich behielt einfach einen Schluck Wasser im Mund, bis dieser von allein von den Schleimhäuten absobiert wurde. So wurde das Gefühl des Durstes weniger groß.

Vom See aus ging es erneut hoch auf 1600hm über die südlich liegende Bergkette und wieder hinab bis zu der Berghütte „Refuge de la Sega“. Ich kämpfte mich durch zugewachsenes Gestrüpp, lief im Wasser durch einen Bach bergauf und nahm weitere steinige Passagen, bei denen immer wieder Geröll unter meinen Füßen den Hang hinab kullerte. Ich teilte mir dann noch das Wasser mit einer Kuhherde, räumte dann aber schnell das Feld, als ich ein Kälbchen und Muttergespann wahrnahm.

Der für mich letzte Abschnitt bis hin zur Stadt Corte führte von „Refuge de la Sega“ am und oberhalb des Flusses durch eine fantastische Schlucht. Es war ein fantastischer Weg, der gegen Ende aber auch wieder etwas belaufener war.

Gegen 17 Uhr erreichte ich meine Unterkunft in Corte und fragte direkt nach einer Bar mit Übertragung des EM-Spiels Deutschland/England. Der nette Herr am Empfang bereitete mir im Innenhof am Pool ein Plätzchen mit einem Fernseher und machte so seinen Garten zu einer Bar. Absolut lieb von ihm, denn für große Barwanderungen hatte ich auch nur noch wenig Kraft und ausserdem wenig Zeit.

So konnte ich den „Tritt in den Hintern“ für die deutsche Mannschaft in aller Ruhe betrachten und bekam zum Trost auch noch einen Lolli geschenkt.

Anschließend stand nur noch die Rückreise an, mit dem Zug nach Bastia, wo ich die letzten Tage im Haus von Gilbert verbrachte. Die Unterkünfte in den Städten Korsikas sind nochmal deutlich teurer und so freute ich mich, dass ich in einer privaten Unterkunft mit kleinem Einzelzimmer unterkommen konnte. Bastia ist aber auf alle Fälle einen Besuch wert.

Nach erfolgreicher Absolvierung meines PCR-Tests ging es dann in den Flieger mit nur 25 anderen Passagieren Richtung Deutschland.

Fazit

Ich kann die Insel Korsika für Wanderungen absolut empfehlen. Gerade für Personen, die es autark mögen und das Zelten bevorzugen. Natürlich kann man auch in den Hütten übernachten (Schlafsack mitnehmen!), aber mir schien es oft komfortabler und hygienischer im eigenen Zelt.

Insgesamt würde ich die beiden Wege „Mare a Mare Nord“ und „Mare e Monti Nord“ an fortgeschrittene, erfahrene Outdoorfreundinnen und -freunde empfehlen, die in der Lage sind längere, anspruchsvolle Bergtouren zu bewältigen und auch in der Lage sind, sich in weglosen Situationen weiterzuhelfen.

Ich freue mich auch schon auf den Tag, an dem ich nach Corte zurückkehre, um meine Tour fortzusetzen. Dann hoffentlich ohne Umknicken. Es gehört auch zu der Erfahrung im Fern-und Bergwandern, dass man Einsehen haben muss, wann es besser ist eine Tour zu Unterbrechen oder Abzubrechen. Das betrifft nicht nur die eigene körperliche Einschränkung sondern auch Aspekte wie Wetter oder andere von außen einwirkenden Kräfte und Materialerschöpfung.

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