Wie ich das langsame Gehen lernte
Schon lange hatte ich die Idee mich mit einem Esel auf Tour zu begeben. Geplant war eine dreitägige Tour in der Toskana. Leider konnte ich die Wanderung dort so nicht antreten und ich machte mich erst einmal auf den Weg zurück nach Deutschland. Hier ergab sich aber eine spontane Superlösung, die mich extrem erfreute. So konnte ich ein Wochenende lang auf einem Eselhof verbringen, nächtigte in einem Schäferwagen und durfte meine erste Wanderung mit einem Esel machen.
Der Eselführerschein
war die erste Herausforderung des Wochenendes. Es gab eine Einführung in die Eselhaltung und den Umgang. Wie ein Esel so tickt ist natürlich auch immer etwas individuell, wie bei uns Menschen ja auch. Dennoch gibt es einige grundlegende Regeln und Verhaltensweisen.
Mir war bis dahin gar nicht bewusst, dass Esel an sich wasserscheu sind. Wie oft sieht man in Dokumentationen, dass Esel ihre Lasten ohne zu murren durch Flüsse tragen.
Nach der ersten Kontaktaufnahme mit den vielen Eseln wurde mir der Hausesel Hans Dieter zugeteilt. Irgendwie hatten wir auch einen guten Draht zueinander.
Hans Dieter wirkte auf den ersten Blick sehr verträumt und wenig laufbegeistert, aber das war wie gesagt nur der „erste Blick“.
Zehn Kilometer durch Wald und Wiese
standen uns bevor. Wobei ich mir eine Route auswählen durfte. Da die Sonne so wunderbar schien, entschied ich mich für den Weg mit „Weitblick“ und daher für mehr Wiese als Wald. Im Nachhinein durfte ich feststellen, dass dieser Weg für Hans-Dieter natürlich der leckerere Weg war.
Nach intensiver Kontaktaufnahme, Hufe kratzen und angenehmer Fellpflege verließen Hans Dieter und ich den Hof. Wir kamen genau 10 Meter weit. Da entschied sich Hans Dieter eine Pause einzulegen.
Wenn ein Esel nicht weiter will, dann geht er nicht weiter! Keine Chance. Ziehen und zerren bringt da gar nichts. Also redete ich positiv auf Hans Dieter ein, dabei schaute er mich mit seinen großen Kulleraugen einfach nur an.
Ich wollte jetzt noch nicht die Zaubermöhre zücken, wer weiß für welche Notfälle ich diese noch benötigen würde.
Mit der Strategie, „der Leitesel geht hinten“ stupste ich Hans Dieter mit der Hand am Hintern und schon setzte er sich in Bewegung. „Jippi, die ersten 100 Meter geschafft“, dachte ich mir voller Freude.
Durch den Wald ging es dann zunächst einmal weiter und Hans Dieter schien motivierter. Anschließend wusste ich auch wieso, denn Hans Dieter kannte den Weg ja bereits und er wusste, was auf ihn hinter der nächsten Kurve wartete. Eine saftige, grüne Wiese.
Als ich also mit Hans Dieter aus dem Waldstück wanderte, nahm er auf einmal Tempo auf und zwar sehr spontan. So schnell, dass ich ins Laufen kam und keuchend hinter ihm her rannte.
Wenn ein Esel rennt, kann ihn auch nichts halten. Also machte sich Hans Dieter mit freudigen Sprüngen auf ins grüne Gras und fraß genüsslich Löwenzahn.
Mit dieser Aktion hatte ich erstmal verloren. Hans Dieter wusste nun, wie er seinen Willen durchsetzen konnte – schnell sein.
Wir gerieten also in einen kleinen Meinungskonflikt, bzw. Machtkampf. Ich muss gestehen, ich war auch einfach zu freundlich. Denn Hans Dieter spielte dieses „ich laufe auf die Wiese“ Spiel eine ganze Stunde mit mir. Ich bekam ihn zurück auf den Weg und er lief wieder in die Wiese zurück. Ich bin ja ein sehr geduldiger Mensch und Hans Dieter hatte auch noch diesen „knuffiger Esel“ Bonus.
Wir legten in einer Stunde ungefähr einen Kilometer zurück und ich war kurzeitig echt froh, dass ich die Stirnlampe eingepackt hatte. Obwohl es erst 12 Uhr Mittag war, ahnte ich, dass wir es niemals vor Sonnenuntergang zurück zum Stall schaffen würden.
Nachdem nun also einige Zeit auf der wundervollen Wiese verging, musste ich konsequent durchgreifen. Hans Dieter bekam eine Standpauke und wurde von nun an eng geführt. Es kostete mich 10 Minuten lang extreme Kraft Hans Dieter bei mir zu halten und jaaaa er war stinksauer. Stampfend stand er neben mir und schrie in voller Lautstärke „Ihhhaahh“.
„WOW, das war wirklich laut!“
Doch Hans Dieter und ich bekamen die Kurve und er akzeptierte, dass ich den Weg bestimme. Das Tempo gab immer noch er vor, aber das ist normal. (Irgendwie erinnerte mich das alles an meine Arbeit 😀 )
Nachdem er die weitere Wiesenstrecke brav neben mir her schlich, bekam er seine erste Möhre und schon waren wir beste Freunde.
Die nächsten Kilometer gab es keine weiteren Machtkämpfe und wir wanderten fröhlich durch die Berglandschaft.
Esel haben ein sehr gutes Gehör und so hörte Hans Dieter, Radfahrer, Autos oder Waldarbeiter bereits viele Minuten bevor ich sie überhaupt erahnen konnte. Geräusche machten ihn immer etwas unruhig, doch mit Zuspruch und Streicheleinheiten konnte ich ihn etwas beruhigen.
Hans Dieter neigte insbesondere bei Steigungen dazu an Tempo zuzulegen, was mich teilweise echt fertig machte.
Aus unerklärlichen Gründen wurde er auch auf einmal abwärts schneller und damit er mir nicht wieder stiften ging, musste ich immer vor ihm bleiben, um den Weg zu blockieren. Schon lange vor mir, nahm er natürlich wahr, dass seine Eselfreunde in der Nähe waren.
Esel in Sichtweite
bedeuteten, dass Hans Dieter einfach nur zu ihnen rennen wollte und zwar sofort, schnell und ohne Kompromisse. Esel sind schließlich Herdentiere. Während ich ihm versuchte klar zu machen, dass wir einen anderen Weg gehen wollen und ich seine Herde bin, löste sich der eine Haken der Führungsleine und Hans Dieter war höchst erfreut.
Ein bisschen bin ich stolz auf uns. Denn auch diese Situation bekamen wir in den Griff, auch wenn mir schon wieder der Schweiß auf der Stirn stand.
Fortan gab es keine weiteren Ausbrüche und Hans Dieter hatte sogar gegen Ende der Wanderung noch 1,5 Belohnungsmöhren übrig! Ich denke, diese Tour war für ihn genauso spannend wie für mich. Seine Besitzerin erzählte mir dann, das Hans Dieter schon eher ein sportlich, verrückter Esel sei, nun weiß ich auch wieso….
Verrückt bin ich ja auch, also waren wir uns wenigstens in einem Punkt ähnlich. Okay, ich mag Karotten auch genauso gern wie er, vielleicht hat er mir das übel genommen.
Den nächsten Tag besuchte ich Hans Dieter immer wieder im Stall und auf der Weide und er kam sogar freiwillig zu mir (dabei hatte ich nicht einmal eine Möhre dabei!)
Eselwandern
war und bleibt für mich eine tolle Erfahrung. Jederzeit würde ich wieder eine Tour mit einem Esel machen und ich würde mich nun sogar an eine mehrtägige Wanderung wagen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass der Esel und ich uns kennenlernen können und wir gut miteinander zurecht kommen. Man muss halt einfach damit rechnen, dass er sich wie ein bockiges Kleinkind im Supermark benehmen kann und alles viel langsamer voran geht. Aber das Verhalten kenne ich auch von mir selbst auf längeren Touren. Ich setze mich dann immer mitten auf den Weg und schmolle ein paar Minuten, hilft ja aber nichts!
Ein bisschen bin ich ja auch selbst schuld, denn ich habe die 1. Regel des Eselführerscheins direkt gebrochen:
Lass deinen Esel NIEMALS, wirklich NIEMALS einfach so grasen. Beim nächsten Mal bin ich direkt ganz streng, versprochen!
Die Tour habe ich übrigens bei Petra in der Eifel gemacht. Die Wanderungen sind immer lange vorher ausgebucht. Ich kann sowohl eine Tageswanderung, als auch ein ganzes Wochenende im Schäferwagen empfehlen.