Von Stürmen, Dürre und der Veränderung eines Waldes

Mich hat es wieder mal in meine Heimat, den Harz getrieben. Viele Erinnerungen verbinde ich mit dem Mittelgebirge, das in meiner Kindheit für mich insbesondere im Winter einer Zauberwelt glich. Langanhaltende Winter mit viel Schnee waren damals noch üblich. Auf den grünen Fichten türmten sich die weißen Flocken und die Gegend wurde zum Winterwunderland. Auch damals gab es in den 80ern und 90ern schon einige gut besuchte Skilifte, und die Besucher*innen genossen die Ruhe in den abgelegenen Dörfchen.

Auch im Sommer zeigte sich der Harz schon immer von seiner verwunschenen Seite. Grüne, dichte Nadelwälder, die den felsigen, mit feuchtem Moos überwachsenden Untergrund hüteten. Dazwischen immer wieder kleine Bäche, Teiche und große Stauseen.

Direkt vor der Haustür meines Elternhauses startet der Harzer Hexenstieg, der einen durch das Oberharzer Wasserregal, tief in die Wälder bis hinauf auf den Brocken führt. Von dort geht es weiter bis in das kleine Örtchen Thale. Ich selbst bin den Hexenstieg zuletzt 2017 gelaufen. Aus meinem alten Kinderzimmerfenster sehe ich immer gerne zu, wenn sich wieder neue Hiker auf den Weg zum Eselsplatz machen, um in ihr Harzabenteuer zu starten.

Über die aktuelle Frequenz der Startenden war ich aber in diesem Jahr besonders überrascht. Der Hexenstieg hat sich zu einem etablierten Fernwanderweg entwickelt, der Jung und Alt in die Natur lockt. Einige mit kleinem Gepäck andere in voller Selbstverpflegerausrüstung.

Die Entwicklung des Waldes im Harz

Wer heute den Harz besucht, wird zunächst ein verstörendes Bild erhalten. Der Oberharz stirbt. Und damit beziehe ich mich auf die Wälder. Das zu sehen kann unfassbar traurig stimmen, besonders wenn man den Harz in anderer Erinnerung hat. Der dichte Fichtenbestand gleicht heute einer Totenausstellung. Dicht an dicht stehen trockene, tote Bäume, die es einem erst einmal eiskalt den Rücken herunter laufen lässt.

Das Sterben der Fichten ist ein Prozess, der sich aus den milderen Wintern und den heißen Sommern ergibt. Fichten sind hartnäckig, solange es feucht und kühl ist. Jedoch sind sie sehr anfällig bei Stürmen und Trockenheit.

Und dann ist da noch der Borkenkäfer. Er nutzt die klimatischen Gegebenheiten perfekt aus, nutzt das Totholz und verbreitet sich weitläufig, auch immer mehr gesunde Bäumen werden von ihm befallen.

Wer sich mit der Geschichte des Harzes auseinandersetzt und aufmerksam die Gegend erkundet, wird feststellen, dass die Region bis heute vom Bergbau geprägt ist.

Silber, Kupfer, Blei und Zink wurden in den Stollen des Oberharzes abgebaut. Archäologische Funde weisen darauf hin, dass ein Abbau wohl schon im 3.Jahrhundert nach Christus in Grundzügen erfolgte. Eine wahre Blüte des Bergbaus erfolgte im Mittelalter.

Der intensive Bergbau über Jahrtausende nahm großen Einfluss auf die Wälder des Harzes und der Wald wurde regelrecht ausgebeutet. Erst im 18. Jahrhundert begann man mit der Wiederaufforstung der Wälder. Dabei ging es weniger darum alte Baumbestände naturnah zurück zu bringen sondern um eine schnelle Aufforstung. So enstanden regelrechte Monokulturen an Fichten.[1]https://www.oberharz.de/sommer/bergbau-im-harz

Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts fand ein Umdenken statt. Ein einsetzender Nachhaltigkeitsgedanke und die Auswirkung des Klimawandels forderten ein Umdenken in der Forstwirtschaft.

Entwicklungsnationalpark Harz

In den 90er Jahren wurden auf Grund der Aufteilung in die beiden Bundesländer Sachsen Anhalt und Niedersachsen zwei Nationalparks im Harz errichtet . Im Jahr 2006 wurden die beiden Nationalparks zu einem großen Nationalpark Harz zusammengeschlossen. Der Nationalpark ist geprägt von eben diesen oben genannten Fichtenwäldern, schließt aber auch Moorlandschaften und Buchenwälder ein.

Im Nationalpark herrscht heute ein Gesetz, nämlich das Gesetz der Natur. Dieses setzt voraus, das menschliche Eingriffe so gut wie möglich verhindert werden. Die natürlichen Lebensräume sollen sich wieder entwickeln können. Dieses Gesetz greift bereits auf 70% der ausgewiesenen Fläche und wird heute als „Naturdynamikzone“ bezeichnet.

Auf 28% der Fläche sind aktuell noch forstwirtschaftliche Eingriffe notwendig, um die Prozessentwicklung der Naturdynamikzone einzuleiten. Das heißt, hier werden Eingriffe vorgenommen, die dem Wald anschließend seine Eigendynamik wieder geben werden. Diese Zonen werden als Entwicklungszonen bezeichnet.[2]https://www.nationalpark-harz.de/de/der-nationalpark-harz/

Die ehemalige und nun sichtbar absterbende Fichtenmonokultur wird bewusst mit jungen Buchen unterpflanzt, die ursprünglich im Harz beheimatet waren. Teilweise werden auch Fichten bewusst gefällt, um das nötige Sonnenlicht der Bodenschicht zugängig zu machen. In der Naturdynamikzone wird das Totholz im Gegensatz zur Entwicklungszone liegen gelassen, um einen natürlichen Untergrund für den zukünftigen Urwald mit all seinen Lebewesen, Pflanzen und Pilzen zu gewährleisten.

Der Borkenkäfer gehört, trotz seines sehr schlechten Rufes, zu einem funktionierenden Ökosystem dazu und wird daher in der Dynamikzone auch nicht bekämpft. Er hat es hauptsächlich auf die geschwächten Fichten abgesehen.[3]https://www.nationalpark-harz.de/de/der-nationalpark-harz/waldentwicklung/

In den höheren Lagen der Dynamikzone wachsen auch auf natürlichem Weg junge Fichten heran. Wie sie sich mit zunehmender Klimaerwärmung, Stürmen und den damit einhergehenden Schaden entwickeln werden, bleibt abzuwarten.

Um der weiteren Ausbreitung des Borkenkäfers in der Entwicklungszone vorzubeugen wird auf klassisch mechanische Fallen gesetzt. Auch die Ausbreitung auf Nachbarforste wird durch einen Sicherheitsstreifen unterbunden.

Aktuell muss auch noch in den Wildtierbestand insbesondere in die Population der Rothirsche und Rehe eingegriffen werden, um den jungen Laubbäumen eine Überlebenschance zu geben.

Der Wildverbiss an den Jungbäumen wäre in einigen Gebieten ansonsten zu groß und würde dem Schutzziel der Erschaffung eines natürlichen Waldes entgegenwirken.[4]https://www.nationalpark-harz.de/de/der-nationalpark-harz/wildbestandsregulierung/

Spielregeln für Besucher und Wanderer

Eigentlich einfach zu erkennen ist die logische Schlussfolgerung, dass gerade der Untergrund, mit dem jungen Baumbestand der heimischen Laubbäume dringend geschützt werden muss.

Was das bedeutet?

Es gilt auf den angelegten Wegen zu bleiben, um den Entwicklungsprozess nicht zu gefährden. das ausgebaute Wegnetz im Nationalpark Harz umfasst ca. 600km und kann von Besucher*innen und zu großen Teilen auch von Radfahrer*innen genutzt werden.

Ziehe ich den Vergleich, dass ein Reh geschossen werden muss, um Wildverbiss zu vermeiden, aber gleichzeitig ein Wildcamper mit seinem Zelt einen jungen Baum platt macht, sollte man sich seiner Verantwortung bewusst sein und auf keinen Fall gegen das Wegegebot verstoßen.

Daher ist und bleibt das Verlassen des Weges, das Wildcampen und das Pflücken von Pflanzen in Naturschutzzonen absolut tabu.

Es gibt außerdem ziemlich urige Unterkünfte im Harz und da der Tourismus eine Haupteinnahmequelle in der strukturschwachen Region ist, schadet es nicht, ein paar Euro in ein Bett zu investieren.

Auch andere Regeln, die ihr auch alle nochmal in meinem Beitrag „Vom Outdoorhype und Umweltschutz“ nachlesen könnt, gelten im Harzer Nationalpark.

Eine weitere Maßnahme, die wahrscheinlich eher unbekannt ist, ist das Verbot der Benutzung von Drohnen im Nationalpark Harz, auch das gilt in den meisten Naturschutzgebieten in Deutschland. Weitere Informationen dazu findest du auch auf der offiziellen Seite des Nationalparks.

Fazit

Der Harz ist im Wandeln. Mein Bild und das vieler früherer Besucher*innen des Harzes bleibt eine Erinnerung. Auf schneebedeckte Fichtenzipfel werden wir wohl alle verzichten müssen. Auch Skitourismus ist und wird in Zukunft klimabedingt kaum mehr eine Rolle spielen. Fraglich ist es deshalb, warum gerade neue Skianlagen und Beschneiungssysteme etabliert wurden. Der hohe Energieverbrauch und der massive Eingriff in den Wasserhaushalt beflügeln das Problem weiter. Aber hier wurde sicherlich nur aus kurzfristiger, profitorientierter Sicht gedacht. Das dies dem Leitgedanken „Nationalpark Harz“ entgegengesetzt wirkt, sollte jedem bewusst sein.

Der Leitgedanke des Nationalparks hingegen zeigt sich für viele Besucher*innen vielleicht aktuell nicht attraktiv, denn wer will schon tote Wälder sehen, wo wir doch zu oft gerne die Augen vor Problemen verschließen. Doch was wir bzw. zukünftige Generationen dafür erhalten sollen, nämlich ein funktionierendes, natürliches Ökosystem ist für die Flora und Fauna und die Gesamtbevölkerung deutlich mehr wert.

Meiner Meinung nach zeigt sich im Nationalpark Harz ein forstwirtschaftlicher Entwicklungsprozess, der vorbildlicher nicht sein kann. Natürlich sieht man auch hier die Konflikte zwischen Naturschutz und Ökonomie und es benötigt einiges an Aufwand und Geduld, um ein Gleichgewicht herzustellen und einen passenden nachhaltigen Tourismus zu etablieren. Dies kann auch nur gelingen, wenn Konsumenten und Bewohner mitwirken.

Der Harz ist als Erholungs- und Sportgebiet über die Grenzen Deutschlands sehr beliebt und die steigende Anzahl an Wanderern*innen, die ich allein am Hexenstieg wahrgenommen habe zeigt, dass Naturliebhaber*innen die ausgebauten Wege gerne nutzen. Vielleicht gelingt es der gesamten Region, sich von einem ehemaligen Wintertourismusgebiet in ein ganzjähriges Naturerholungsgebiet zu wandeln. In der sich nicht nur der Mensch sondern auch Tiere und Pflanzen von den vergangenen Strapazen erholen können.

Da ich zu den Fernwanderinnen gehöre, ist meine persönliche Anregung in diesem Fall auch, gezielt Trekkingcamps, die nur zu Fuß erreichbar sind zu etablieren. So könnten auch legale Trekkingcamper*innen im geschützen Raum auf ihre Kosten kommen. Gezielte, kleine Areale sind hierfür schon ausreichend und im Vergleich zum Ausbau einer übergroßen Appartmentanlage inklusive Bodenversiegelung durch entstehende Parkplätze ist der Eingriff doch sehr gering.

Aber mir ist natürlich auch bewusst, dass es nicht der Trekkingtourismus ist, der Geld in die Region spülen. Aber es sind auch nicht die Tourist*innen, die für Lärm, überdimensional viel Müll und Bodenversiegelung sorgen. Und mit geeigneten Trekkingcamps lagert dann hoffentlich auch der oder die ein oder andere Wildcamper*in auf legaler Fläche und bringt noch eine minimalen Tourismuseinnahme.

References

References
1 https://www.oberharz.de/sommer/bergbau-im-harz
2 https://www.nationalpark-harz.de/de/der-nationalpark-harz/
3 https://www.nationalpark-harz.de/de/der-nationalpark-harz/waldentwicklung/
4 https://www.nationalpark-harz.de/de/der-nationalpark-harz/wildbestandsregulierung/

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