Endlich Slowenien-Unterwegs auf dem Alpe Adria Trail

Kranjska Gora

war der erste Ort, den ich anlief, nachdem ich die Grenze passierte. Die anspruchsvolle Strecke von der italienischen Berghütte Refugio Luigi Zacci durfte ich gemeinsam mit dem Dreiergespann aus Ingolstadt/Regensburg laufen. Welch ein Zufall, war ich doch dort gestartet. Die Tour war zunächst wirklich gefährlich und ich war froh, dass Lea an meiner Seite war, als wir die sehr rutschigen Hangpassagen mit Seil und über wackelige Holzbretter passierten.

Anschließend ging es steil bergab wieder in Richtung der beiden Seen vom Vortag. Der Rest des Weges war einfach, wieder ging es über den Radweg. Die guten Gespräche machten die Strecke dann aber kurzweilig. Nach einem leckeren Essen verabschiedeten wir uns und ich lief Richtung Eco-Campingplatz.


Details
Von der Donau über die Alpen an die Adria - Einblicke in die Tour Teil 7
Collection
?
Export
More Details

Einer der schönsten Campingplätze, die ich je bezogen habe. Liebevoll gestaltet, mit ganz vielen Tieren. Große Camper waren auf dem Waldcampingplatz nicht erlaubt. 

Am nächsten Tag ging es auf den Vrsic Pass in den Triglav Nationalpark. Schon der erste Teil der Strecke gefiel mir unglaublich gut, doch machte mir das Wetter ein wenig Druck.
Toll war auch, dass ich über einige Kilometer mit einer Schafherde lief. Sie begleiteten mich hoch zum Pass und waren super zutraulich.Schön, dass sie zufällig den gleichen Weg laufen wollten. So konnte ich dann endlich ein Schaf umarmen. Ich hatte es mir in Schottland ja so sehr gewünscht.

 Für die nächsten Tage war ein heftiges Unwetter angekündigt. Die Wolken zogen schnell zu und so entschied ich am Pass bei der Hütte nach einer Unterkunft zu fragen. Dies erwies sich als eine sehr gute Entscheidung, denn der Sturm kam schnell und heftig.
Fliegende Bäume, Dauerregen, Gewitter, Nebel, Hagel…alles war dabei. Letztendlich fiel dann auch noch der Strom aus. Ich dachte an meine ehemaligen Weggefährten und hoffte, dass alle einen guten Unterschlupf gefunden haben.

Die Sache Mit dem Wetter

sorgte erst einmal dafür, dass ich festhing. So verbrachte ich auch mehr Zeit als geplant in Trenta und in Bovec. Die Socaquelle konnte ich leider nicht besuchen, die Wassermassen waren einfach zu groß und aus der traumhaft schönen Soca wurde schnell ein reißender Fluss. Auf dem weiteren Weg musste ich immer wieder Flussquerungen vornehmen, die durch die Pegelstände nicht gerade leicht waren. Auch das Klettern über umgerissene Bäume und Treibgut wurde zur Dauerbeschäftigung. Zum Glück waren die Hängebrücken alle noch intakt.


Kurz vor Bovec stand ich etwas bedröppelt vor einer wackeligen Holztreppe, als eine 6er Gruppe Wanderprofis an mir vorbei zog und ein Mann mir netterweise die Hand reichte. Natürlich hätte ich diese Treppe nun auch noch überwunden, aber Gentleman halt. So nahm ich die Hilfe gerne an und am Ende konnte ich wieder neue, nette Menschen kennenlernen. Später im Hostel hatten wir dann das Vergnügen Bier und Tequila zu trinken und der Abend wurde ziemlich lang. Den Vorurteilen der Herren konnte ich schnell Kontra geben, denn sie wunderten sich doch sehr, was ich armes, „kleines“ Mädchen überhaupt allein in den Bergen zu suchen hatte. Wenn man einmal an einer Holztreppe zweifelt…achja!


In Bovec pausierte ich und wartete darauf, dass die Soca ihre eigentliche Farbe wieder bekam. Ich hatte Glück, der Regen hörte auf und so konnte ich an dem traumhaft, türkisfarbenen Fluss weiterlaufen. 

Zum Rafting hab ich mich trotzdem noch nicht getraut. Aber das wird nachgeholt.

Die weitere Strecke war sehr angenehm zu laufen, immer mal wieder tosende Wasserfälle, winkende Kajakfahrer und einige Wanderer, mit denen ich ins Gespräch kam. Immer wieder sah man die Nachwirkungen der anhaltenden Regenfälle.

Über Drezica, einem kleinen slowenischen Bergort, ging es weiter aufwärts zu der Kuhinja Alm. Da ich mich vorher mit einer trotzigen Kuhherde, die den Weg versperrte auseinandersetzen musste, dabei über Stacheldraht klettern musste und meine Beine bluteten und ich kurz darauf noch einen Sturz durch Umknicken hinlegte, beschloss ich auf der Alm zu bleiben. Dies stellte sich im Nachhinein wieder als sehr gute Wahl heraus. Ich lief immer häufiger ohne genaues Ziel los und entschied spontan, wo ich die Nacht verbringen wollte. Ganz nach dem Motto: Weniger planen, einfach machen!

Musikanten am Morgen

weckten mich aus meinem Tiefschlaf in der Schlafkohje, die ich mir mit zwei deutschen Mädels teilte. Ich dachte, ich Falle vom Glauben ab, als über 80 Menschen mit Instrumenten und Liedtexten fröhlich anfingen slowenische Volkslieder anzustimmen. Ich schlich mich also noch in meinen Schlafsachen raus zum Frühstück und bekam somit ein einzigartiges Bergkonzert. Die arme Almwirtin war ziemlich fertig, da jeder der Gruppe anschließend auch noch einen Kaffee wollte. Ich startete etwas später als sonst mit meiner Tour, sang dafür aber fröhlich (und wahrscheinlich falsch) die eben gehörten Ohrwürmer. Ich habe mich wirklich bemüht bereits einige Wörter slowenisch zu lernen, es hängt aber an der Aussprache und wohl auch an der Merkfähigkeit.


Mein Weg führte mich hinab, zurück an die Soca nach Tolmin. Die Stadt ist wirklich nicht sonderlich schön, aber ich war müde genug, um mich kein Stück mehr zu bewegen. Ich beobachtete die Paraglider am Himmel und beneidete sie auch um ihren Mut und die tolle Sicht.


In meinem Hostelzimmer hatte sich ein slowenischer Rentner eingefunden, der die Chance nutze sein Land zu erkunden. Jeder slowenische Staatsbürger erhielt während der Coronazeit ein Reisegutschein im Wert von 200€ für den Urlaub im eigenen Land und so war es vielen möglich eine längere Tour zu unternehmen.


Der ältere Herr sprach kaum Englisch, trotzdem wollte er sich gerne mit mir unterhalten. So saß er dann plötzlich an meinem Tisch, mit einer großen alten Wanderkarte in der Hand und grinste mich an. Er zeigte mir seine Route und versuchte meine zu verstehen. Ich glaube, er war sehr begeistert und ich bemühte mich seine schwer verständlichen Fragen zu beantworten. Er bestand darauf mein Getränk zu zahlen, was bei mir eher zu einem schlechten Gewissen führte.

Er klärte mich auch auf, dass meine Laufroute für den nächsten Tag „shit“ sei. Damit sollte er dann auch recht behalten.


Der schweissnasse Höllenberg

erwartete mich am nächsten Tag. Er war gar nicht so hoch wie die Berge zuvor, aber er hat mich fertig gemacht! Zufällig trafen mich auch dort die beiden Doktoranden wieder, sichtlich amüsiert über meinen Erschöpfungszustand. Ich habe mich sehr gefreut sie wieder zu sehen, konnte dies aber kaum zeigen, dafür fehlte mir eindeutig die Kraft. Ich stammelte ihnen nur ein paar Worte entgegen und lies mich dann mitten auf den Weg plumpsen. Die Sonne machte mir schwer zu schaffen und ich sah schon gegen 10 Uhr aus, als hätte ich einen Marathon im Dauerregen hinter mir.


Die gesamte Region verweist immer wieder auf alte Gefechte des 1. Weltkrieges. Denkmäler, erhaltene Stützpunkte und Erinnerungstafeln führen Besucher durch die Geschichte der Isonzoschlachten zwischen dem Königreich Italien und den Gegnern Österreich/Ungarn und dem Deutschen Kaiserreich. 

Oben am Berg führt auch meine Route durch das Freilichtmuseum Kolovrat. Heute findet man dort immer noch die alten Schützengräben und Stellungen, durch die auch der Alpe Adria Trail führt. Schon mal mit einem Riesen Rucksack durch einen Schützengraben gelaufen? Schwierig!
Das Museum war für mich sehr interessant, gleichzeitig aber auch sehr bedrückend.


Der Berg markiert heute die Grenzlinie zwischen Italien und Slowenien.

Auf der italienischen Seite kehrte ich in der Solarishütte ein und blieb dort auch als einziger Gast für die Nacht. Moment, die Wirtin hatte noch ihre Oma in der Garage… eine wirre Geschichte. Aber sie brachte ihr immerhin regelmäßig Kaffee und Essen in den dunklen Raum. Ich habe kurz überlegt, wie ich die gute Frau befreien könnte, jedoch wurde mir dann eine glaubwürdige Geschichte aufgetischt, weshalb die Oma in der Garage sein muss. Es hatte so etwas von der bösen Schwiegermutter, also empfand ich es als gerechtfertigt. Böse, ich weiß.

Mit Wehmut blickte ich immer wieder zurück Richtung slowenischer Berglandschaft, mir hat es doch sehr gut dort gefallen. Auf mich wartete nun eine ganz andere Landschaft: Weinregionen, Trockenheit und Palmen. Und bald darauf dann auch das Meer.

Comments

  • Margarete Harnau
    15. September 2020

    Liebe Frau Nagat, ich habe riesigen Respekt vor Ihrer Tour und wünsche Ihnen herzlich gutes Ankommen und bleiben Sie fit und gesund. Ich schaue immer mal wieder rein.
    Ganz liebe Grüße M. Harnau

    reply

Post a Comment