Weinberge, Karst und Küste auf dem Alpe Adria Trail
Italienische Dörfer und KleinstädtE
haben ihren ganz eigenen Charme. Verwinkelte Gassen, Steinhäuser oder farbenfrohe Fassaden mit weißen Fensterläden. Ich verließ die schroffen Berge und kam immer weiter in das grüne Hügelland Italiens, bis ich die kleine Stadt Cividale del Friuli erreichte. Auf dem Weg dorthin musste ich mich durch einige Wegirrungen kämpfen. So verlor ich den Weg an einer Stelle ganz und kämpfte mich durch das Gestrüpp. Die Beine voller Kletten und Pflanzenresten, die Arme zerkratzt. Mit Hilfe von GPS schlug ich mich bis zum nächsten Ort durch und landete in einem Garten eines jungen Italieners, der sichtlich schockiert war, als ich durch seine Hecke stieg.
Er musterte mich während ich mir das Gestrüpp von den Beinen zog und ihn schief anlächelte. Nachdem sein Schock überwunden war, grinste er zurück und fragte, ob ich in Ordnung sei. Ich ließ mir ein paar Tipps geben, wie ich zurück zu einem geeigneten Weg kommen könnte. Ich hoffte darauf, dass dieser dann vielleicht auch von anderen Menschen mal begangen wurde und ich mich nicht unbedingt mit dem Messer durchschneiden müsste. Das erinnerte mich alles wieder sehr an die Dschungeltour auf Sumatra.
Aber mal im Ernst, die Wegmarkierung in Italien unterscheidet sich sehr von denen in Österreich und Slowenien, zumindest an vielen Stellen.
Cividale del Friuli
ist ein wirklich angenehmes Städtchen, in dem es einiges zu sehen gibt. Es prägte für mich den Übergang zwischen Bergland und Weinbergen. Außerdem hatte ich das Glück wieder mal bekannte Gesichter zu treffen. Gemeinsam mit den Doktoranden, die mich seit dem Glockner auf dem Alpe Adria Trail immer mal wieder begleiteten, beschloss ich den Abend gemeinsam zu kochen. Okay… es gab Pommes, Chickennuggets und Morzerella Bällchen mit Tiefkühlgemüse. „Hiking-hunger“ halt. Dazu gab es noch ein paar Radler. Ein gesunder Abend, aber der Abschied musste ja etwas gefeiert werden, denn ihre Zeit auf dem Trail endete hier.
Über Sträßchen und Feldwege ging es für mich durch die Weinberge weiter. Die Hitze war sehr drückend und ich hatte einen hohen Verbrauch an Trinkwasser. Das gute alte Trinken aus Bächen und Quellen war nun vorbei und ich musste das Wasser filtern oder auch mal chloren. Natürlich habe ich alles für diesen Fall dabei gehabt, nicht umsonst trage ich den riesigen Rucksack mit mir. Problem war nur, ohne Quelle und Bach konnte ich auch kein Wasser filtern und so lief ich einige Zeit auf dem Trockenen. Ich traf dann noch auf einen jungen Medizinstudenten, der sich für einige Wochen ein Outdoorabenteuer gönnte. Er war quasi ein Outdoorneuling und hat sich sogar gegen das Mitführen eines Mobiltelefons entschieden. Zum Glück war der junge Herr angehender Mediziner, denn er stürzte neben mir und schürfte sich das Bein auf. Anschließend trank er noch aus dem großen Fluss auf den wir stießen und zwar einfach so. Ich hoffe, er hat es gut überstanden, denn unsere Wege trennten sich gegen Ende des Tages. Ich alte, erfahrene „Outdoor-Omi“ gab ihm dann noch ein paar Tipps für den weiteren Weg.
Es gab an diesem Tag wieder einmal keine freie Unterkunft. Der Student entschied sich in den höher gelegenen Dörfern zu fragen und ich entschied mich für das Casino.
spiel, Spaß und ein Sonderling…
In diesem Fall war ich das schon wieder. Wer schon einmal in einem Casino war, kennt die gewissen „Spielregeln“. Ich nahm also meinen Mut zusammen und marschierte an den Anzugträgern vorbei Richtung Rezeption. Mit den dreckigen Schuhen über den roten Teppich…
Ich sah mich schon im hohen Bogen rausfliegen oder im Teppich eingerollt und im Fluss versenkt. Die Herren in Schwarz ( für Momo waren es die Herren in Grau) musterte mich von oben bis unten und ich zwitscherte ihnen mein schönstes „Buona sera“. Bevor der akkurat gekleidete Mann an der Rezeption etwas sagen konnte, sprudelte direkt aus mir heraus, dass ich nur ein Zimmer möchte und dort auch heute nicht mehr rausgehe würde. „Versprochen!“
Der Mann nickte lächelnd und zückte eine Zugangskarte. Er erlaubte mir auch das Restaurant zu nutzen…. „Gott sein Dank!“, dachte ich mir. Ansonsten hätte ich vor dem Hotel meinen Kocher anwerfen müssen, das wäre sicherlich auch nicht in ihrem Sinn gewesen.
Und so schlappte ich in Kleid und Badeschlappen in das Restaurant (mit dem „Dress“ bin ich schließlich auch schon in das Sternerestaurant in Heiligenblut gekommen).
Falls jemand die Netflix Serie „Ozark“ kennt, dieses Casino erinnerte mich doch sehr an genau diese Serie, mehr sag ich dazu nicht. Es war auf alle Fälle eine super spaßige Erfahrung mit Menschen, die man halt nicht im Wald trifft.
Auf heißem Pflaster
führte der Weg bis Gradisca d’Ionzo. Das war absolut kein Vergnügen und ich zog es einfach nur durch. Musik oder Podcast auf die Ohren und sturr gehen. Keine Pause, keine Fotos. Nur schnell durch. Dieser Abschnitt war der schlimmste Teil der ganzen Route. Lkw, Autos, Roller… eine nervige Angelegenheit, die auch noch dafür sorgte, dass meine Füße schmerzten. Dann passierte ich auch noch das Dorf Corona…ha!
Gegen den Schmerz gab es ein Schokoeis für mich und eine Kühlung der Fußsohlen …auch für mich. Der super nette Gastgeber des B&B in Gradisca d‘ Ionzo hellte meinen Tag dann nochmal auf. Ich denke, er konnte einfach auf Englisch nur eine Frage stellen: „Do you like more coffee?“
Da kenne ich auch nur eine Antwort: „Yes, please!“. Und so trank ich so viel Kaffee, wie sonst nur auf der Arbeit.
In der Karstlandschaft
wurde der Weg wieder ansprechender. Mehr Wälder, mehr Steine und Abwechslung. Hubschrauber machten mich darauf aufmerksam, dass es einige Waldbrände in der Region gab. Zum Glück konnte alles schnell unter Kontrolle gebracht werden.
An dem Tag, an dem ich innerhalb von 10 Minuten zwei mal stürzte, war ich etwas genervt. Vor allem, als ich unten am Weg eine handgeschriebene Wegsperrung entdeckte. Von oben kommend war natürlich keine Information auffindbar. Kein Wunder, dass der Hang so rutschig war.
Als dann am Abend mein Abendessen aus einer Sardelle (Vorspeise) und 5 Tortellini (Hauptspeise) bestand, kam ich mir etwas veräppelt vor. Das ganze Mahl kostete 23 €. Ja… der eine nennt es gute Küche. Ich dachte nur daran, dass ich nun 200€ zahlen müsste, damit ich satt werde. Das war es mir nicht wert und so ging ich grummelnd und hungrig ins überteuerte Bett.
Einen Blick auf die Küste
konnte ich bereits am nächsten Tag werfen. Über Duino und Sistiana ging es nach Prosecco immer Mal wieder an der Steilküste entlang, zeitweise aber auch durch Wälder. Hier durfte ich dann noch Begegnung mit einer schwarzen, relativ großen Schlange machen. Ich habe das nicht kommen sehen und so schrie ich das arme Tier vor lauter Adrenalin an. „Das war sicher ein Einzelexemplar“, dachte ich mir. Als ich dann aber auf eine weitere Schlange traf, zückte ich nicht nur meine Stöcke zur Verteidigung sondern zog auch die Tierbestimmungsapp zu Rate. Nur damit ich zumindest weiß, wann ich Gegengift brauche. „Ich lasse euch in der Sonne auf dem Stein liegen und ihr lasst mich in Ruhe wandern“, ein guter Deal! Da ich auf keine weitere Schlange traf, haben sie den Kompromiss wohl akzeptiert.
Die letzen Etappen des Alpe Adria Trails habe ich kaum mehr wahr genommen. Gedanklich durchlief mein Kopf die letzten Tage, Wochen, Monate. Alle Hochs und Tiefs sausten in meinen Gedanken hin und her und auch all die anstrengenden und in dem Moment dummen Situationen erschienen mir als wundervoll. Ich denke, ich habe mich in einen wirren Trance gelaufen. Auf alle Fälle war es schön alles nochmal zu durchdenken, bevor ich das Ende des Alpe Adria Trails erreichte. Schon als ich das Meer das erste Mal von einem Berg in Slowenien erblickte, kamen mir die Tränen. So geschah auch dies erneut. Freude, Erschöpfung, Erleichterung, Traurigkeit. Alles zusammen. Und so endete der Alpe Adria Trail in Muggia für mich.
Von Muggia lief ich weiter Richtung Sloweniens Küste und nutze mein Zelt nochmal gut aus. Manchmal sehnte ich mich nach einem ruhigen Solo-Stellplatz. Dieses Gewusel auf so manch einem Campingplatz war mir dann doch zu viel. Die Nächte verbrachte ich im Zelt, die Tage mit kleinen Touren und dem Schwimmen im Meer. Ich liebe ja die „gestellten“ Zeltbilder, wo gut gekleidete Damen und Herren in einem Zelt mit Vintage Einrichtung und Lichterkette an exponierten Orten sitzen und eine Tasse Cappuccino schlürfen. Realität sieht anders aus. Zeltchaos voller Packtaschen, schlecht riechenden Socken, Dreck und Ameisen. Eine Stirnlampe als einzige Lichtquelle. So sieht die wahre Zeltromatik aus, jedenfalls wenn man nicht direkt daneben seinen SUV im Naturschutzgebiet parkt.
Ein Weg der Reise endete nun. Wie und wo es weiter gehen wird, werde ich noch entscheiden. Mehr Spontanität habe ich definitiv dazu gewonnen. Nun wird aber in den nächsten zwei Wochen Slowenien weiter erkundet und ich freue mich schon sehr, dass ich dafür Begleitung haben werde.